Wirken der Geistkraft Gottes von der Bibel ins heute
Der Schweizer Schriftsteller und Theologe Kurt Marti hat den Wunsch geprägt, dass Gott ein Tätigkeitswort werde. Ihm war es ein Anliegen, dass die Gottesrede, bei welcher jede Metapher an ihre Grenzen kommt, in menschlichen Erfahrungen konkretisiert wird. Dort, wo anstelle von statischen Substantiven, dynamische Begriffe als Metaphern dienen, da eröffnen sich Wege, dass Gott ein «Tätigkeitswort» werden kann. Ein Blick in die Vielfältigkeit der biblischen Sprache lohnt sich, insbesondere wenn sie von «Gottes Geist», seiner «ruach» spricht.
Hebräische Bibel
In der hebräischen Bibel bedeutet das weibliche Substantiv «ruach» (רוּחַ), mit dem später der «Geist» bezeichnet wird, «Wind». Es wird also eine dynamische, bewegende und verändernde Kraft bezeichnet. Mose etwa streckte seine Hand über das Meer aus (Ex 14,21) und der HERR trieb die ganze Nacht das Meer durch einen starken Ostwind, die «ruach» fort. Er liess das Meer austrocknen und das Wasser spaltete sich.
Das Wort «ruach» bedeutet nebst «Wind» aber auch «Hauch» oder «Atem». Wo dieser Atem mit Gott verbunden ist, erweist er sich als schöpferische Energie. So heisst es im Psalm 33: «Durch das Wort des HERRN wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes.» (Ps 33,6). Eindrücklich wird dieser Leben schaffende und Hoffnung weckende Atem im Buch des Propheten Ezechiel in einer bildhaften Darstellung aufgenommen, wo ausgetrocknete Knochen herumliegen und durch Wind und Beben als Sinnbild für das in Hoffnungslosigkeit versunkene Volk Israel neu belebt werden: «Die Gebeine rückten zusammen, Bein an Bein. Und als ich hinsah, siehe, da waren Sehnen auf ihnen, Fleisch umgab sie und Haut überzog sie von oben. Aber es war kein Geist in ihnen. Da sagte er zu mir: Rede als Prophet zum Geist, rede prophetisch, Menschensohn, sag zum Geist: So spricht GOTT, der Herr: Geist, komm herbei von den vier Winden! Hauch diese Erschlagenen an, damit sie lebendig werden! Da sprach ich als Prophet, wie er mir befohlen hatte, und es kam der Geist in sie. Sie wurden lebendig und sie stellten sich auf ihre Füsse.» (Vgl. Ez 37,5–14). In anderen Zusammenhängen bedeutet das Wort «ruach» den geistigen Zustand, die Stimmung, die Haltung, die Einstellung eines Menschen (Ex 35,21; Esra 1,1; Haggai 1,14). Sie gilt in gewisser Weise als selbstständiges Wesen und kann sich ausbreiten und auf einen anderen Menschen überspringen, in ihn eindringen.
Der zunächst auf Menschen angewendete Begriff des Geistes wurde entsprechend der menschenähnlichen Gottesauffassung auf Gott übertragen (Jes 40,13). Selten ist vom «Heiligen Geist» die Rede, vielmehr wird vom «Geist Gottes», seiner «ruach», seinem Atem gesprochen. Diese Ausdrücke bezeichnen die wirkmächtige Gegenwart Gottes im Leben der Menschen. Der Begriff «Geist Gottes» ist insbesondere auf Israel und die Propheten bezogen, findet aber auch auf die ganze Schöpfung Anwendung. Zu den bedeutsamsten Aussagen zählen: Genesis 1,2: «Gottes Geist schwebte über dem Wasser» (bei der Schöpfung), und Psalm 104,30: «Du sendest deinen Atem aus, so werden sie geschaffen.»
Neues Testament
Im griechischen Neuen Testament erscheint der Begriff «Heiliger Geist» (πνεῦμα ἅγιον pneûma hágion) rund einhundert Mal. Der Ausdruck bewahrt sich grossmehrheitlich die schöpferische und verändernde, auch Hoffnung stiftende Dynamik des ersten Testamentes. Im Johannesevangelium wird die Geistkraft auch Paraklet (παράκλητος, «Tröster» oder «Beistand») genannt. Eine Schlüsselszene bildet die Taufe Jesu im Jordan. Dort wird der Geist, welcher sich auf Jesus legt, mit dem Liebessymbol der Taube verbunden. «Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam» (Mk 1,10). Die Jesus erfüllende Kraft aus dem Himmel ist mit der Liebe zu verbinden, welche im Einsatz für Gerechtigkeit und das Leben der Menschen bis zum Letzten zu gehen bereit ist. So ist es schliesslich der Geist Jesu, der beim Pfingstereignis, begleitet vom Sturm der Veränderung, auch auf die Jünger herabkommt. In der Hoffnungslosigkeit angesichts des Todes Jesu am Kreuz schafft die Kraft aus dem Himmel den Aufbruch zu neuer Hoffnung. In der Apostelgeschichte wird deutlich, dass alle, die sich im Glauben an Christus taufen lassen, diesen «Heiligen Geist» empfangen (Apg 2,38), der als Kraft der Liebe den Weg zu den Menschen eröffnet. Diese Kraft wohnt in den Christinnen und Christen (1 Kor 3,16) und bewegt sie zu einem Leben aus dem Glauben. (Röm 8). Dazu sind ihnen die Gaben des Heiligen Geistes geschenkt (Röm 12).
Gott kann ein «Tätigkeitswort» werden
Mit dieser kurzen Skizzierung der Vielfältigkeit der biblischen Sprache im Blick auf den «Geist Gottes» wird deutlich, dass durch die dynamischen Begriffe und Worte der Gottesrede Wege zu einem lebendigen Gottesbild eröffnet werden, welches sich in den Erfahrungen der Menschen konkretisieren kann. Auf jeden Fall dürfte den jungen Erwachsenen auf den Firmwegen die Vorstellung nahe liegen, dass Gott mit der Kraft der Liebe verbunden wird, welche uns auf die Füsse stellt und uns dazu drängt, diese Welt im Sinn und Geist Jesu so zu gestalten, dass wir Menschen die anderen, insbesondere die an den Rand gedrängten, nicht vergessen. Wenn sie auf den Firmwegen zudem in ihrer Haltung und Einstellung bestärkt werden, dass sie kreativ und schöpferisch und von Hoffnung erfüllt nach Lösungen suchen, diese Welt nachhaltig als einen grossartigen Lebensraum auch für die zukünftigen Generationen zu gestalten und an einer solidarischen Gesellschaft zu bauen, dann kann Gott tatsächlich ein «Tätigkeitswort» werden.
Autor: Jürg Wüst